Dem Kommentator geht es um Gleichheit bei der Erlangung medizinischer Versorgung. Als Arzt ist er wohl tätig in einem System, welches sich bewusst als solidarisch bezeichnet. Es ist sogar naheliegend, dass er sich vertraglich an das solidarische deutsche Gesundheitssystem gebunden hat.
Solidarität ist ein missbräuchlich verwendeter Begriff aus
der marxistisch-kommunistischen Ideologie und nicht identisch mit den
Forderungen der französischen Revolution von Gleichheit, Freiheit,
Brüderlichkeit. Solidarität funktioniert immer nur vertikal und zwar
aufsteigend immer dann, wenn Opfer verlangt werden. Bei der Verteilung nach
unten gibt es im besten Falle Priorisierung, im schlimmsten Falle Privilegierung. Solidarische Systeme
verfolgen gerade nicht die Gleichheit der einzelnen Mitglieder sondern ausschließlich
den Erfolg des Systems. Hierin liegt der grundlegende Irrtum des Kommentators
bei der Beurteilung der geschilderten Vorgänge. Wie im Ameisenstaat sind die
systemrelevanten Mitglieder privilegiert. So hat es der Autor auch direkt wahrgenommen.
Damit ist aber nicht etwa eine Staatskrise nachgewiesen sondern zunächst der Erfolg
des solidarischen Gesundheitssystems.
Nun hat die Medizin auch eine ökonomische Perspektive und
aus dieser ist die Frage zu stellen, warum nicht ein Patient, der schnellst
möglich zu seinem Arbeitsplatz drängt, weil für die Erhaltung des Systems (und
all jener in der Notambulanz) relevant, zeitlich bevorzugt behandelt werden
darf, wo doch den Schilderungen nach davon auszugehen ist, dass ein Großteil
jener Elenden im Wartebereich den Kriegsschauplatz mit einer
Arbeitsunfähigkeitbescheinigung wieder verlassen wird.
Angst und Bange macht eher die Darstellung der Notambulanz,
weil sie, sofern zutreffend, schwerwiegende organisatorische und hygienische
Mängel beschreibt. Weiter unterstellt, die Zustände dort seien originalgetreu
wiedergegeben, so wäre vordringlich eine Triage durchzuführen, angelehnt an das
zitierte Weltkriegsszenario, und damit wäre die Gleichbehandlung, etwa nach
dem Zeitpunkt des Eintreffens, eo
ipso perdu. Unverständlich bleibt, weshalb sich der Kommentator schließlich gegen
seine Überzeugung auf Weisung von oben „korrumpieren“ ließ. Wenn überhaupt, so
beginnt hiermit das zu beklagende Elend des Staates.
Leider schweigt der Autor zum Versicherten-Status jener
geheimnisvolle Allegorie der Justitia oder besser der Arroganz, die bevorzugte
Behandlung beanspruchte. Was spricht gegen solidarisch? Beamtenprivilegien!
Dr. Johannes Reinmüller
Chirurg, Plastischer Chirurg
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