Insgesamt trafen sich ca. 40 Ärztinnen und Ärzte aus
verschiedenen Fachrichtungen und Vertreter der Industrie in Wiesbaden. Die
Initiatoren der Konferenz waren wie 2 Jahren zuvor Frau Marianne Wolters und
Herr Herrmann Lampe aus Frankfurt sowie Herr Johannes Reinmüller aus Wiesbaden.
Die Konferenz wurde von der Landesärztekammer Hessen mit 8 Punkten als
Fortbildungsveranstaltung bedacht.
Herr Lampe begrüßte die Teilnehmer unter Hinweis auf die
Tradition der Veranstaltung als objektive Plattform für den Austausch von
gesichertem Wissen, für die Diskussion offener Fragen und den Dialog zwischen
Anwendern und Industrie. Er wies auf die Finanzierung der Konferenz aus ausschließlich
eigenen Mitteln der Initiatoren hin ohne Inanspruchnahme von Sponsorengeldern,
um ein höchst mögliches Maß an Unabhängigkeit zu schaffen.
In dem einleitenden Referat stellt Frau Wolters die
Veränderung auf dem Fillermarkt seit der letzten
Konsensuskonferenz 2006 dar. Es wurden eine Reihe von Produkten z.T. aus
firmeninternen Gründen (z.B.Hylaform) aus dem Markt
genommen, z.T. aber auch aus Gründen einer unzureichenden Sicherheit (z.B. Derma-life, Derma-deep). Neue
Produkte wie das kollagen-basierte Evolence, die Hyaluronsäure-basierten Produkte Prevelle,
Puragen, Puragen plus, Belotero intens, der Massenfiller Macrolane, das Agarose-basierte Produkt easy-agarose
und ein synthetisches Produkt Laresse seien
hinzugekommen. Sie berichtete weiter über neue Erkenntnisse aus Studien und
rief die Anwender dazu auf, nur Produkte zu verwenden, zu denen es gesicherte
Erkenntnisse aus Studien gibt. Sie erwähnte dabei auch die gestiegen
Bereitschaft der Industrie, Trainingsveranstaltungen auf hohem Niveau
anzubieten und empfahl potentiellen Anwendern die Teilnahme. Sie schloss mit
dem Leitsatz: Nicht alles Neue ist gut, aber alles Gute war einmal neu.
Herr Frank Bachmann aus Berlin (Arbeitsgruppe Rzany) stellte aktuelle Zahlen aus dem Filler-Register
Berlin vor, welches z.Zt. über ca. 80 Meldungen aus einem Zeitraum von 7 Jahren
verfügt. Ziel des Registers sei es, Risikoprofile für einzelne Fillerkategorien zu erstellen. Er arbeitete klar heraus,
dass die gemeldeten Komplikationen auf unterschiedliche Ursachen beruhen. Im Wesentlichen
handele es sich um Probleme der Biokompatibilität, um Infekte der Fillermaterialien in situ und um
Anwendungsfehler. Beispielsweise sei die Glabellaregion
gefährdet durch ischämische Zustände infolge Embolisationen der supratrochlearen
Arterien bei tiefer Injektion. Die Meldungen an das Register stammten in der
Vergangenheit überwiegend aus Berlin und Umland. Wünschenswert wäre jedoch ein
deutlich erweiterter Einzugsbereich. Deshalb bat er um möglichst bundesweite
Meldungen an die homepage
www.dermal-filler.net.
Frau Luitgard Wiest aus München berichtete über die
Ergebnisse einer Konferenz in Huston, Texas, zum Thema Komplikationen mit Fi3llern,
die im August des Jahres stattfand. Das Profil der Komplikationen falle im
Vergleich zu Europa unterschiedlich aus, bedingt durch das abweichende Angebot.
Dies sei Folge der erheblich schärferen Zulassungsbestimmungen für
Medizinprodukte in den USA, die aufwändige Studien für die Zulassung forderten.
Damit sei das Angebot an Fillern eingeschränkt.
Letzten Endes verhinderten die strengeren Zulassungsbestimmungen die Zahl der
Komplikationen nicht effektiv.
Herr Reinmüller führte aus zur Viskoelastizität
der Hyaluronsäure bzw. deren Derivate. Diese verhalten
sich teilweise wie elastische Festkörper und teilweise wie Flüssigkeiten.
Dieses Verhalten lasse sich nicht mit den bekannten physikalischen Gesetzen von
Hooke bzw. von Newton beschreiben. Viskoelastische Substanzen könnten dennoch in ihrem
Verhalten messtechnisch erfasst und beschrieben werden. Die Viskoelastzität
kann sich mit zu- oder abnehmendem „stress“ verändern. Dies habe Bedeutung für
die Passage der Substanzen durch englumige Kanülen
und für die Ausbreitung im Zielgewebe. Hyaluronsäure
und ihre Derivate seien durch den „shear thinning“ Effekt gekennzeichnet, d.h. sie verflüssigten
sich unter mechanischem „stress“ in der Kanüle und verfestigten sich erneut im
Gewebe. Viskoelastische Daten zu bestimmten Fillersubstanzen würden kaum von den Herstellern geliefert
und müssten in der Literatur recherchiert werden. Sie erlaubten jedoch unter Hinzunahme anderer Eigenschaften wie z.B. Partikelgröße bei
biphasischen Fillern einen Vergleich
der einzelnen Produkte bezüglich ihrer Wirksamkeit. Er wies darauf hin, dass
auch die Dermis
als Zielstruktur individuell höchst unterschiedliche viskoelastische
Eigenschaften aufweise, die das Behandlungsresultat beeinflussten.
Im folgenden Beitrag ging Herr Reinmüller auf die Vielzahl an Hyaluronsäure-Fillern
ein. Die Zahl der auf dem EU-Markt erhältlichen Produkte erreichte mit über 100
eine unüberschaubare Größenordnung. Die einzelnen Produkte unterschieden sich
durch die Herkunft bzw. die Gewinnung der Hyaluronsäure,
den Prozess der chemischen Stabilisierung, die Konzentration der Hyaluronsäure , den
Aggregatzustand und durch die viskoelastischen
Eigenschaften. Weiterhin wurde der Unterschied zwischen sogenannten „monophasischen“ und „biphasischen“
Produkten herausgearbeitet. Unterschiedliche Eigenschaften bedingten
unterschiedliches Verhalten im Gewebe. Viele Produkte hätten daher ein eigenes
Profil, manche seien Kopien erfolgreicher Vorläuferprodukte. In jedem Falle sei
festzuhalten, dass Hyaluronsäure-basierte Filler Implantate sind und nicht natürliche Bausteine des
Bioorganismus.
Herr Lampe und Herr Thomas Galla aus Köln gingen auf ein
neues Anwendungsgebiet der chemisch vernetzten Hyaluronsäure
ein : die Masseninjektion in tiefe Gewebsschichten zur
Wiederherstellung von Weichteildefekten und zur Mamma-Augmentation.
Sie traten der Auffassung entgegen, es lägen keine klinischen Studien für diese
Anwendungen vor. Unter Bezugnahme auf das hierzu veröffentliche Wissen stellten
sie Indikationen für das Verfahren und eigene Anwendungsbeobachtungen dar. Die
Diskussion bezog sich auf die Sicherheit des Verfahrens und die Zusammensetzung
des Handelsproduktes Macrolane. Für eine
abschließende Beurteilung sei es zu früh. Es fehlten Langzeiterfahrungen.
Herr Timm Philipp Wolter aus Aachen berichtete über Lippen-Augmentation mit dem permanenten Filler
Aquamid. Er stellte eine Studie mit insgesamt 200
Teilnehmern vor und beschrieb die Technik der Implantation und Maßnahmen bei
unerwünschten Wirkungen. Das Material sei bei Bedarf vollständig exprimierbar.
Die Schlussfolgerung lautete, dass das Verfahren mit Aquamid
eine verlässliche Alternative zu den häufiger eingesetzten resorbierbaren
Materialien darstellt.
Frau Tatjana Pavicic aus München
berichtete über ihre Erfahrungen mit Belotero intens, einer
Weiterentwicklung des monophasischen Fillers Belotero basic. Es unterscheide sich durch die höhere Hyaluronsäure-Konzentration vom letztgenannten. Sie stellte
die Indikationen und Kontraindikationen dar und gab Empfehlungen zu möglichen
Kombination mit anderen Zubereitungen der Produktlinie. Die Darstellung der Behandlungsresultate im Einzelnen
konnten der ausführlichen Fotodokumentation entnommen werden. Belotero intens erfordere eine andere, tiefere Injektionstechnik unter
Inkaufnahme einer subcutanen Platzierung.
Frau Fanny Longin aus Kopenhagen
berichtete über ein neues Verfahren zur Herstellung hochreiner Hyaluronsäure. Der
gentechnisch veränderte Mikroorganismus Bazillus subtilis
sei in der Lage, Hyaluronsäure zu synthetisieren und
diese in die Nährlösung zu sezernieren.
Damit sei die Isolierung einer homogenen Hyaluronsäure
mit einem mittleren Molekulargewicht von ca. 1,1 Mio. Dalton direkt aus der
Lösung und ohne Fällungsschritte mit organischen Lösungsmitteln möglich. Der
synthetisierende Mikroorganismus bleibe
dabei intakt, sodass keine Bestandteile der bakteriellen Zellwand oder des
Zellinhaltes in die Präparation übertreten könnten wie bei Produktionsverfahren
mit Streptokokken. Bazillus subtilis benötige im
Gegensatz zu Streptokokken zum Wachstum keine tierischen Substrate und sei
pyrogenfrei. Damit bestünde keine Schnittstelle zum Tierreich und das
Endprodukt enthalte keine Restbestände an Pyrogenen. Bisher habe diese unter
dem Handelsnamen HyaCare von Novozyme
angebotene Hyaluronsäure noch keine Verwendung als
Ausgangsmaterial für Produkte im Bereich der kosmetischen Medizin gefunden. In
Bezug auf die bisher bekannten Herstellungsverfahren für Hyaluronsäure
stelle das neue Verfahren einen Paradigmenwechsel dar mit künftig nachhaltiger
Wirkung auch auf den Medizinprodukte-Markt.
Frau Gabriele Feller-Heppt aus
Baden-Baden stellte einen neuen Filler auf Basis
eines xenogenen Kollagens
vor, welches unter dem Handelsnamen Evolence
angeboten wird.
Das Kollagen werde aus Schweinehaut gewonnen und durch eine
natürliche Reaktion mit Glucose (Maillard-Reaktion) quervernetzt bzw.
stabilisiert. Anhand von histologischen Untersuchungen legte sie dar, dass das
Produkt nur eine geringe Gewebsreaktion auslöst. Daher ist die Haltbarkeit im
Gewebe im Vergleich zu anderen Kollagen-basierten Produkten erheblich
gesteigert. Die Antigenität des xenogenen
Kollagens habe sich offensichtlich durch das
verwendete Vernetzungsverfahren drastisch reduziert, sodass Vortestungen nicht
mehr obligat seien. Die Indikationen entsprächen den allseits bekannten. In der
Diskussion wurde die Konsequenz aus der auch natürlicherweise im
Alterungsprozess der Haut ablaufenden Maillard-Reaktion für den Abbau und die
Verträglichkeit diese Filler-Typs behandelt.
Frau Patricia Ogilvie aus München
gab ein up-date des unter dem Handelsnamen Radiess erhältlichen Fillers, der
als Langzeitkomponente Mikrosphären des keramischen Materials Hydroxylapatit enthält. Der Durchmesser der Sphären liege
bei ca. 40 Mikrometer. Damit sei eine primäre Phagozytose
ausgeschlossen. Als Transportmedium für die Mikrosphären durch die englumigen Kanülen ins Gewebe diene Hydroxymethylcellulose,
ein bekanntes und unproblematisches
pharmazeutisches Hilfsmittel. Entscheidend für die Verträglichkeit und
Haltbarkeit sei der Herstellungsprozess der Mikrospären
bzw. des keramischen Materials, der ganz wesentlich die
Oberflächenbeschaffenheit der Sphären beeinflusse. Hydroxylapatit
zerfalle im Organismus spontan. Die Keramik sei damit vollständig resorbierbar.
Indikationen seien tiefe Gesichtsfalten und zunehmend auch der Handrücken. Das
Material werde dabei subdermal injiziert und
verteilt. Bei Anwendung in der Lippe müsse mit Granulomen
gerechnet werden.
Frau Wiest ging nochmals auf ein bereits abgeschlossenes Kapitel
ein, welches allerdings weiter in die Gegenwart und vermutlich auch in die
Zukunft wirkt. Es sind die Spätfolgen des permanenten Fillers
DermaLife, der inzwischen vom Markt genommen wurde.
Bestandteile waren Hydrogel-Partikel aus Polyhydroxyethylmetacrylat (HEMA) als dauerfhafte
Bestandteile und Hyaluronsäure als passagere Trägersubstanz. Die nicht resorbierbaren Hydrogel-Partikel verursachten nach einer Latenzzeit von
mehreren Jahren konfluierende Granulome,
zumeist mit entzündlichen Begleiterscheinungen. Es sei zu vermuten, dass eine
bakterielle Besiedlung der Partikel bzw. eine sogenannte Biofilm-Bildung auf
der Oberfläche die Reaktionen auslöse. Sie habe bisher Erfahrungen mit ca. 400
Patienten mit DermaLife Granulomen.
Die Therapie sollte konservativ bleiben. Dabei könne Volon
A Kristallsuspension 1% und 5Fluoruracil
(5FU) intraläsional in Kombination mit 300 – 600 mg/die
Allopurinol systemisch gegeben werden. Die Behandlung
sollte wenn nötig mehrfach wiederholt werden.
Herr Gerhard Sattler aus Darmstadt erläuterte ein neues
Konzept zur Weichteil-Augmentation im Gesicht . Er ging zunächst darauf ein, dass ein
altersbedingter Gewebsumbau zu Weichteilverlusten führen könne. Dieser lasse
sich mit tiefen Injektionen des monophasischen Hyaluronsäure-Fillers Belotero basic in das Subcutangewebe,
eventuell auch submuskulär, ausgleichen. Dabei kämen regelmäßig größere Mengen zum Einsatz, z.B. 4 ml Belotero basic pro Seite.
Gegenüber der Injektion von autologem Fettgewebe sei
der Vorteil des Verfahrens die einfache Verfügbarkeit des Implantates Er demonstierte seine Behandlungserfolge anhand von
Fotodokumentationen. Die Behandlung sei in hohem Maße gut verträglich und
effektiv. Doch wies er auch auf noch ausstehende Langzeiterfahrungen hin.
Folgende Themen der Agenda blieben aus verschiedenen Gründen
unbehandelt :
Grundlegende Ausführungen zu einem neuen synthetischen Filler aus USA, Laresse,
Erfahrungen mit einem neuen Filler
aus Italien auf Agarose-Basis, EasyAgarose,
Kombinationen der Hyaluronsäure-Filler
mit Hilfssubstanzen wie Lidocain und Botulinumtoxin A,
Interferon-Therapie, Immunsuppression und Chemotherapie als
Kontraindikationen bzw. Indikationseinschränkungen bei der Anwendung von Fillern.
Am Ende der Konferenz blieb den Initiatoren wegen der
fortgeschrittenen Zeit nur noch die Danksagung an die Vortragenden und
Teilnehmer und die Ankündigung einer neuen Konferenz im Jahre 2010 in
Wiesbaden, in der die vorgenannten, bisher unbehandelten Themen mit Priorität
abgehandelt werden sollen.
Entwurf, Stand 12.3.09
Dr. med. Johannes Reinmüller
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen