Donnerstag, 25. April 2013

Das Wurstgift

Nichts ist so schlecht, dass man ihm nicht doch etwas Gutes abgewinnen könnte.

Römische Sentenz

Kein Fernsehabend ohne Krimi und Gewaltverbrechen. Die Mordwerkzeuge sind Äxte, Messer, Stich- und Schusswaffen, Keulen, Seidentücher und dergleichen je nach Täterprofil. Das Opfer weist klare Zeichen der Gewaltanwendung auf : kein Zweifel, es handelt sich um Mord. So lieben wir es. Es gibt jedoch noch eine ganz andere Kategorie von Gewaltverbrechen, die im Fernsehen fast immer zu kurz kommen, weil sie als solche nicht ins Auge fallen. Gemeint ist der heimtückischste aller Angriffe auf Leben und Gesundheit, der Giftmord. Der gewaltsame Tod kann nur durch Ausschluss eines natürlichen Ablebens, durch Zweifel und  oft nur mit moderner Analytik, Forensik, Kriminologie durch indirekte Nachweise bewiesen werden.

Die Palette der historischen Betrachtung ist groß: Pharaonen, Päpste, Tyrannen, Kaiser, Könige.... Aber auch dem gemeinen Volk ist die Heimtücke nicht fremd: der Giftmord von Worms 1956, E 605 in der Praline wird dem naschenden Opfer zum Verhängnis. Der Tod kommt in Minuten. Keine Hilfe. Kein Tatort. Der Mörder abwesend. Nur das Motiv verrät ihn oder sie. Eine Steigerung der Perfidie in unseren Tagen: der high-tech Giftmord von London am russischen Exilagenten Aleksandr Litwinenko, eine winzige Menge Polonium 210 vielleicht im Tee des Opfers. Der Tod kommt schleichend, nach Wochen des Leidens. Alle Rettungsversuche sind vergeblich. Die Mächtigen der Geschichte suchten dem Giftanschlag durch den Vorkoster zu entgehen. Was nutzt beim Polonium 210 der Vorkoster. Er stürbe den gleichen qualvollen Tod Wochen nach der Teestunde.


Vergessen wir dabei nicht, dass viele der heutigen modernen Arzneimittel ursprünglich durch ihre giftige Wirkung entdeckt wurden. Nehmen wir als Beispiel das Gift der Tollkirsche, das Atropin. Die Tollkirsche wächst in unseren Breiten und so treffen denn auch immer wieder Notrufe in der Giftzentrale der Uni Mainz ein, wenn Kinder  Früchte der Tollkirsche verspeist haben. Das Gift der Tollkirsche war bereits in der Antike zwar als tödliches Gift bekannt, aber man wusste sehr wohl, das Gift in schwacher Dosierung für die kleinen Freuden des Alltags zu nutzen. Die Schönen der Antike wendete es in Form von Augentropfen an, um die Pupillen zu erweitern und die Oberlider abzusenken. Das erzeugte einen schmachtenden und verführerischen Blick. Wir nennen das volkstümlich einen „Schlafzimmerblick“. So siegte das schwach Geschlecht über das starke und das Prinzip des Bösen wurde zum Guten gewendet. Die Entdeckungsgeschichte der Arzneimittel ist damit noch nicht abgeschlossen. Sie hat in jüngster Zeit eine Fortsetzung erfahren.

Der Nobelpreisträger für Literatur John Steinbeck beschreibt in seinem Roman Jenseits von Eden einen wirklich perfekten Mord mit Hilfe eines besonderen Giftes, welches in der Natur unter bestimmten Umständen entsteht, aber auch dann, wenn Nahrungsmittel unsachgemäß konserviert werden. Die Mörderin, Kate, stellt es her, indem sie Bohnen einkocht, und dabei entsprechend dem Mordplan die Vorschriften missachtet. Das Opfer, die begüterte Bordellbesitzerin und Adoptivmutter Faye, stirbt Tage nach der Bohnenmahlzeit grausam an den Folgen der Muskelschwäche. Die Tat bzw. dieTäterin wird nicht erkannt. Kate wird Erbin und das Unglück nimmt seinen Lauf. Was ist das für ein geheimnisvolles, tückisches Gift, welches so einfach in tödlicher Menge hergestellt werden kann. Es ist das Butulinum-Toxin (BTX).

In Europa war das Gift ursprünglich bekann als das „Wurstgift“, welches die tödliche .....Krankheit verursachte. 1783 wurde hierdurch sogar eine Epidemie mit vielen Todesopfern ausgelöst. Wie kommt solches Gift in die Wurst? Die Erklärung fand 1895 van Ermengem. Das Wurstgift wird von Bakterien produziert, die nur unter Sauerstoffabschluss wachsen, den Clostiriden. Eine spezielle Art, Clostridium.botulinum stellt das Gift her und scheidet es aus. Deshalb heißt das  Wurstgift Botulinum-Toxin. Diese Erreger kommen in Form von sogenannten Sporen, der sehr widerstandfähigen Dauerform des Keimes, allerorts in der belebten Natur vor. Nur unter Luftabschluss entwickeln sich die Sporen zur vegetativen, das heißt stoffwechsel-aktiven, Form, und die alleine bildet das Gift. BTX ist also ein Stoffwechselprodukt dieser speziellen anaeroben Bakterien.

Die Sporen selbst überleben unter gewissen umständen das Einkochen bei der Herstellung von Konserven. Sie finden dann im Innern der Konservendose ideale Entwicklungsbedingungen zur Ausbildung der vegetativen Form. Sie befinden sich nämlich unter Sauerstoffabschluß, oder mehr wissenschaftlich, unter anaeroben Bedingungen. Nun bleibt dem aufmerksamen Koch die Anwesenheit von vegetativen Formen der Clostridien in der Konserve nicht verborgen. Denn gleichzeitig mit der Ausscheidung des giftigen Stoffwechselproduktes BTX produzieren die Bakterienzellen Gase (CO2?), und diese führen zu Drucksteigerung in der Dose und zur Aufwölbung der Deckel. Man spricht dann von bombierten Konserven, und angesichts dieser Erscheinung ist höchste Vorsicht geboten. Allerdings gibt es die Möglichkeit das Gift durch Erhitzen über 60 °C zu zerstören, denn es ist hitzelabil. Wird jedoch eine solche bombierte Konserve zur Mahlzeit verarbeitet und zuvor nicht ausreichend erhitzt, so gelangt das darin enthaltene Gift in den Magendarmtrakt des ahnungslosen Schlemmers und wird über die Schleimhäute in den Blutkreislauf aufgenommen. Mit dem Blutstrom erreicht es die quergestreifte Muskulatur und führt dort zu Lähmungserscheinungen. Da auch die Atmungsmuskulatur zur quergestreiften Muskulatur zählt, wird auch diese gelähmt, und dies führt – ohne künstliche Beatmung über Wochen – zum Erstickungstod. Soweit das Schlechte. Und nun zum Guten:

Inzwischen hat unser Wissen über das BTX erheblich zugenommen. Es handelt sich um einen Eiweißkörper, der aus mehreren Untereinheiten besteht. Jede Untereinheit hat ihre eigene Bedeutung. Im Zentrum des Eiweißkomplexes liegt das eigentlich giftige Prinzip. 1944, im 2. Weltkrieg, wurde der Wirkungsmechanismus des Gifte in Fort Detrik, Maryland, unter höchster Geheimhaltung weiter aufgeklärt und schließlich 1946 der gesamte Eiweißkomplex in kristalliner Form dargestellt, wohl ursprünlich in der Absicht, daraus einen Kampfstoff zu entwickeln. Daraus wurde genau das Gegenteil. BTX wurde bis heute zu einem hochmodernen Heilmittel entwickelt, welches völlig neue Behandlungsmöglichkeiten für Erkrankungen eröffnet, die bisher als nicht behandelbar galten.

Faszinierend ist die geringe Menge an Gift, die beim Menschen bereits zum Tode führen kann. Sie liegt im Bereich von Nanogramm, d.h. der milliardste Teil eines Gramms genügt also schon zur Lähmung der Muskulatur eines Menschen. Es bestätigt sich hier die Erfahrung, dass die Biologie die giftigsten aller Gifte bereithält. Durch ausreichende und sachgerechte Verdünnung – und dies ist eine Kunst bei der Herstellung - wird aus dem Gift das Heilmittel. Dosis facit veneum: die Dosis macht das Gift . So lehrt es Paracelsus. Darum Hände weg von BTX-Präparaten aus unbekannter Quelle, die als fakes auf dem grauen Markt kursieren.

In der „pipeline“ sind darüber hinaus Anwendungen des Giftes in biochemisch veränderter Form, die nicht auf Lähmung von quergestreifter Muskulatur sondern auf Schleimlösung in der Lunge abgestellt sind. Das ist zur Zeit noch Zukunftsmusik.

Auch der Wirkungsmechanismus ist bis in Einzelheiten aufgeklärt. BTX wirkt an der sog. neuromuskulären Endplatte, der Verbindungsstelle des Nerven zum Muskel. Es dringt durch einen speziellen Mechanismus in den zum Nerven gehörenden Teil dieser Endplatte ein verhindert durch Spaltung wichtiger Eiweißverbindungen die Übertragung des Nervenimpulses auf den Muskel. Das bedeutet Lähmung des Muskels. Aber nicht etwa, wie es bei Verletzungen oder Durchtrennung des Nerven bekannt ist, sondern in einer Weise, bei der der Muskel nicht nachhaltig abgebaut wird. Hieraus wird verständlich, das nach Abklingen der Giftwirkung der Muskel wieder vollständig regenerieren kann. Und das ist höchst erstaunlich. BTX verursacht also weniger eine Lähmung  im herkömmlichen Sinne als vielmehr eine Modulation des neuromuskulären Zusammenspiels, welches von außen betrachtet wie eine Lähmung anmutet.

2004 ist es deutschen Wissenschaftlern der Firma Merz gelungen, das Gift in seine Bestandteile zu zerlegen und den eigentlich giftigen „Kern“ rein darzustellen bzw. zu isolieren. Inzwischen wird diese reinste Darstellung des BTX in Dessau von der Firma Merz für medizinische Zwecke hergestellt. Hierfür wurde eigens eine high-tech Anlage dort neu errichtet.

Ob Gift oder Heilmittel entscheidet sich zum einen mit der Dosis und zu andern durch den anatomischen Einsatzort. Die Dosis wird in Einheiten gemessen, genauer gesagt in Maus-Einheiten (MU). Eine Mauseinheit entspricht der LD 50 im Maustest. Es ist die Dosis, die erforderlich ist, um bei Verabreichung an 100 Mäusen den Tod von 50 Tieren zu bewirken. Die tödliche Dosis für den Menschen liegt schätzungsweise über 3000 Mauseinheiten. Genau Kenntnis fehlen aus verständlichen Gründen. Zur Therapie beim Menschen werden je nach Behandlungsziel zwischen 10 und 600, und nur in Ausnahmefällen bis zu 1000 Mauseinheiten, angewendet. Damit bleibt ausreichend Sicherheitsabstand zur gefährlichen Dosierung selbst bei versehentlicher Injektion in die Blutbahn. Die Verabreichung des BTX erfolgt üblicherweise als Injektion mit der Spritze in die zu behandelnde Muskulatur. Dabei wird der Löwenanteil des Giftes am Injektionsort gebunden und steht nicht für Wirkungsentfaltung fern der Injektionsstelle zur Verfügung. Dies steigert die Anwendungssicherheit erheblich. Die genaue Kenntnis des Aufbaues des Giftes und seiner Umsetzung im menschlichen Organismus hat somit ein sicheres Arzneimittel hervorgebracht.

Unter welchen Umständen kann nun das ursprünglich verheerende Wurstgift segensreich zur Behandlung krankhafter Veränderungen eingesetzt werden? Dies ergibt sich aus seiner unübersehbaren Hauptwirkung, die Erschlaffung von quergestreifter Muskulatur. Dabei ist unter Erschlaffung ein weites Spektrum von Entspannung, Entkrampfung, Teillähmung bis hin zur vollständigen Lähmung eines einzelnen Muskels oder einer Muskelgruppe zu sehen. Je nach Dosis und Injektionstechnik können diese Wirkungen vom erfahrenen Behandler justiert bzw.eingestellt werden.

Also lassen sich mit BTX alle Formen der muskulären Übererregung erfolgreich behandeln von der Verspannung bis zur Verkrampfung. Medizinisch bezeichnet man solche Überaktivitäten einzelner Muskeln oder ganzer Muskelgruppen in leichteren Fällen als Hyperkinese und bei schweren Störungen als Spasmus. Die bekanntesten Krankheitsbilder, die durch Spasmen ausgelöst werden sind der muskuläre Schiefhals (torticollis spasmodicus) und die Spastik der Gliedmaßen bei Schädigungen des zentralen Nervensystems (ZNS). Mit BTX lassen sich die Aktionen der überaktiven Muskulatur abschwächen oder unterdrücken, sodass für die Betroffenen Heilung zumindest jedoch Erleichterung erreicht wird. Die Behandlung muss allerdings in Zeitabständen von 4-6 Monaten wiederholt werden, denn der Bioorganismus findet Wege, die Blockade der Nervenübertragung zu umgehen, in dem er zeitverzögert neue Kontakte bildet. Dies stellt schließlich auch ein wesentliches Sicherheitsmerkmal der Behandlung dar, da es keine bleibenden unerwünschten Folgen geben kann. In der Neurologischen Klinik der Universität Rostock wurde zu dieser Behandlungsform umfangreiche Erfahrung gesammelt. Hier werden betroffene Patienten in regelmäßigen Abständen untersucht und behandelt.

Da z.B. bei Spastikern, Patienten mit spastischen Lähmungen infolge einer Schädigung des ZNS, die BTX Behandlung als Langzeitbehandlung angelegt ist und, somit in regelmäßigen Abständen Folgeinjektionen verabreicht werden müssen, kommt der Reinheit des BTX-Präparates eine besondere Bedeutung zu. Als bakterielles (Fremd-)Eiweiß kann das BTX eine Immunisierung auslösen, d.h. die Bildung von Antikörpern über das Immunsystem bewirken ähnlich einer Impfung. Befinden sich derartige gegen das BTX gerichtete Antikörper im Blutkreislauf, sind diese in der Lage, an das BTX zu binden und es zu neutralisieren. Damit bliebe eine BTX-Behandlung auf Dauer wirkungslos. Begleiteiweiße, die in einigen BTX-Präparaten enthalten, für die BTX-Wirkung  am Nerven aber nicht notwendig sind, erhöhen das Risiko der Antikörperbildung und damit des therapeutischen Versagens von BTX auf lange Sicht.

Der erste therapeutische Einsatz von BTX erfolgte interessanterweise 1978 durch Dr.A.Scott in der Augenheilkunde. Er versuchte, durch Schwächung ausgewählter Augenmuskel das Schielen (Strabismus) zu behandeln. Von der Augenmuskulatur war es nicht weit zur Lidmuskulatur. Auch hier gibt es spastische Zustände, der sogenannte Blepharospasmus, oder unwillkürliches Zucken. Zustände dieser Art können idealer weise mit BTX therapiert werden. Die Lidmuskulatur – zuständig für den Lidschluss – ist ein Teil der mimischen Muskulatur des Gesichts. Inzwischen wurden Verfahren erarbeitet, die es erlauben, die gesamte mimische Muskulatur mit BTX in ihrer Aktivität zu beeinflussen. Dies hat Bedeutung erlangt, seit der mimischen Muskulatur ein auslösendes Moment bei der Migräne zugeordnet wird. Es sind zur Zeit Studien im Gange, die die vorbeugende Wirkung des BTX bei der Migräne belegen sollen. Damit wäre BTX auch bei dieser wohl häufigsten Gesundheitsstörung der zivilisierten Welt eine echte Therapieoption.

Ach ja, da gibt es auch noch den Einsatz des BTX gegen Gesichtsfalten. Es können natürlich nicht alle Gesichtsfalten mit BTX geglättet werden, nur die mimisch bedingten, also solche Falten, die durch Überaktivität der Muskulatur zustande kommen. Das gibt es schon in jungen Jahren, manchmal schon ab 20. Überaktivität ist eine Regelwidrigkeit im Sinnen der Definition des Krankhaften. Diese lautet nämlich : am falschen Ort, zur falschen Zeit, im falschen Maß. Muskelaktivität im falschen Maß ist demnach eine krankhafte Veränderung, die mit BTX erfolgreich therapiert werden kann. Leider machen sich die gesetzlichen und privaten Krankenversicherer diese Auffassung nicht zu eigen. Warum? Das ist ein anderes Kapitel und hängt mit dem Unwort „Gesundheitsökonomie“ zusammen.

Wie sind nun mimische Falten in mittleren und höheren Lebensalter zu beurteilen? Liegt ihnen vielleicht auch ein krankhafter Prozess zugrund? Wissenschaftlich ist auch diese Frage mit JA zu beantworten. Der Alterungsprozess – und in diesem zahlreiche Schädigungen - bewirkt in der Muskulatur einen Umbau, wobei sich gesundes Muskelgewebe in minderwertiges Bindegewebe – eine Art Narbengewebe - umbaut, und da Narbengewebe die Fähigkeit zur Schrumpfung besitzt, schrumpft es auch zusammen mit dem Muskel. Der Muskel verkürzt sich durch diesen Vorgang. Der Beweis ist das Altersheim : die Menschen dort Leiden nicht etwa an schlaffen, zu langen Muskeln mit Verrenkungen der großen Gelenke sondern an zu kurzer Muskulatur, die sie in gebeugte Positionen zwingt. Mit der mimischen Muskulatur hat es allerdings noch etwas besondere auf sich: sie hat ihren Angriffspunkt direkt in der Haut. Wenn sie sich also altersbedingt verkürzt, entsteht ein Dauerzug auf die Haut, die dann eine furchenförmige Einziehung aufweist. Der Volksmund nennt das „Falte“. Manchmal wir behauptet, dies adele das Gesicht.

Jedem das Seine! Wie wäre es zur Abwechslung mit einem Versuch der Wiederherstellung der alten Muskellänge mit Hilfe des BTX? Mit Schönheit hat diese Behandlung herzlich wenig zu tun. Schönheit entsteht aus anderen Quellen. Hier wird wiederhergestellt, was durch degenerative Prozesse verloren gegangen war: ein natürlicher entspannter Gesichtsaudruck. Die psychosoziale Auswirkung solcher wiederherstellender Maßnahmen werden in der Öffentlichkeit leider nicht wahrgenommen und oft abwegig kommentiert. Theodor Adorno hat hierzu richtungsweisend veröffentlicht. Bekannt geworden ist das Zitat : „If you look pretty you sell better“. Bezüglich der Übernahme eventueller Behandlungskosten sind sich auch diesbezüglich private und gesetzlich Krankenversicherer in ungekannter Weise einig: diese Art der Wiederherstellung kann nicht unter deren Leistungspflicht angesiedelt werden. Siehe oben.

Ganz anders sieht es aus beim Thema Schwitzen. Es gibt Menschen, die gehen in die Sauna, um zu schwitzen. Andere leiden unter dem Schwitzen, und interessanterweise nehmen sich die Krankenversicherer dieser Gruppe wohlmeinend an. Das verstehe, wer will. Vielleicht muss man hierzu Gesundheitsökonom sein. Denn auch das Schwitzen kann man wie die Faltenbildung einteilen in wenig, mittel und stark. Denen, die stark schwitzen, so lautet der Beschluss der Gesundheitsweisen, kann und muss geholfen werden und zwar mit BTX.

So wie BTX die Übertragung des Nervenimpulses auf den Muskel zu unterbinden vermag, so kann es über das gleiche Wirkprinzip die Übertragung der Nervenimpulse auf die Schweißdrüsen blockieren. Denn die Übertragungsstellen an Muskulatur und an Schweißdrüsen sind eng verwandt und bedienen sich des gleichen Überträgerstoffes, des Acetylcholins. Man spricht deshalb in der Medizin von cholinergen Synapsen und meint damit alle Übertragungstellen, an denen der Überträger- bzw. Signalstoff Acetylcholin agiert. BTX wirkt ausschließlich an cholinergen Synapsen, also auch an der cholinergen Synapse zwischen Nerv und Schweißdrüse. Die Begrenzung der BTX-Wirkung auf cholinerge Synapsen erklärt auch die fehlende BTX-Wirkung am ZNS, da hier keine solchen Synapsen bekannt sind.

Wie kommt nun BTX an die Synapse zwischen Nerv und Schweißdrüse? Wiederum in Form einer Injektion mit der Nadel oder Druckpistole ins benachbarte Gewebe, also in das Unterhautgewebe und dann weiter durch eine Art Diffusion an das nervenseitige Ende der Synapse. Dort wird es in die Nervenzelle aufgenommen und eingebaut. Nach wenigen Tagen tritt die Wirkung ein. Die Haut wird trocken. Kein Stress, keine Hektik kann das Wohlbefinden stören, die Reinigungsanstalt meldet Kurzarbeit an. Vorausgesetzt, die Dosis und Ausdehnung der Behandlung waren ausreichen.

Leider oder zum Glück findet – wie bei der Muskulatur - eine Regeneration der blockierten Synapsen statt, sodass nach einer gewissen Zeit, meist 4-6 Monate, eine Wiederholung der Behandlung erforderlich wird. Der Erfolg mit BTX bei der Schweißdrüsenbehandlung kann übrigens sichtbargemacht werden mit Hilfe des Jod-Stärke-Tests oder des Ninhydrin-Tests.
Schweißabsonderung wird im Test durch Farbbildung auf der Haut sichtbar. Fehlt die Schweißbildung, so tritt auch keine Verfärbung auf. Haupteinsatzgebiet im Kampf um trockene Hemden und Blusen sind die Achselhöhlen. Alternativ stehen hier nur die Schweißdrüsenkurettage oder die Sympathektomie, beides operative Verfahren, zur Verfügung. Bei vermehrtem Schwitzen an Stirn, Nacken, Wangen, Hals bleibt BTX ohne Alternative.

Zurück zu John Steinbeck´s Jenseits von Eden. Das Thema wurde 1956 in Hollywood verfilmt mitJames Dean in der Hauptrolle. Gab es dafür nicht mehrere Oscars? Vielleicht schaut man sich mal die Filmaufzeichnung von der damaligen Preisverleihung an und vergleicht sie mit dem heutigen Zeremoniell. Man wird einen diskretenUnterschied ausmachen können: das Wurstgift bzw. das Gift, das aus den Bohnen kam, hat nicht nur den alten (Kult-)Film maßgeblich beeinflußt sondern es wirkt heute weiter in den Gesichtern und Achselhöhlen der auserwählten Anwesenden.

Entwurf Stand 15.8.2007

Dr. med. Johannes Reinmüller

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