Montag, 9. September 2013

SATIRE – Schützenfest


Schützenfeste sind seit dem 17. Jahrhundert Tradition in dem schönen Land Tirol. Beim Scheibenschießen geht es um Können, Ruhm und Ehre. Der beste Schütze wird auf ein Jahr Schützenkönig und hat das Recht, auf die Ehrenscheibe zu schießen. Die DGPRÄC (www.dgpraec.de) ist nicht so traditionsreich, kann aber im übertragenen Sinne auf einige Ehrenscheiben mit Treffer ins Schwarze zurückblicken und an Schützkönigen mangelt es gewiss nicht. Wie jeder weiß, ist das Glück der Schützen wechselhaft und so geht auch mal ein Schuss daneben oder gar nach hinten los. Gegen eigene Ungeschicklichkeit oder Intrigen der Konkurrenz ist kaum einer gefeit. Erinnern wir uns an die Bemühungen zu Zeiten der VDPC (Vorläufer der DGPRÄG) um den Begriff Ästhetik als Alleinstellungsmerkmal für die erlauchte Mitgliedschaft. Fast schon symbolisch waren einige der Protagonisten der Bewegung im Seppelskostüm gekleidet. Dank ihrer Bemühungen konnten sie sich bald die „ästhetische“ Schwanzfeder des Auerhahns zu ihrem „plastisch-chirurgischen“ Gamsbart-Pinsel an den Hut stecken. Sie glaubten damals, sie hätten den  sprichwörtlichen Vogel abgeschossen  Doch die Natur ist hart und gerecht: wer bunt geschmückt in der Sonne balzt, wird leicht Opfer von Beutegreifern. Hier war es der Fiskus, der aus heiterem Himmel zustieß und die Ahnungslosen schamlos beutelte. Der Schuss war hier im wahrsten Sinne des Wortes als Umsatzsteuer nach hinten losgegangen. Der Preis für das Anhängsel „Ästhetik“ war damit teuer bezahlt. Nun sollte der teure Name wie die Kugel des „Freischütz“ in gleichnamiger Oper seine Zauberkraft in Richtung vermeintlicher Konkurrenz entfalten. So wurde denn angelegt auf einen Kieferchirurgen, der seine Kunst an den Brüsten orthognater Frauen anwandte. Wem das Libretto der Oper geläufig war, konnte den Ausgang ahnen. Die Kugel traf den missgünstigen Schützen selbst und das „Gute“ obsiegte in der richterlichen Feststellung, dass Ästhetik kein Alleinstellungsmerkmal einer Berufgruppe sein kann. Was bisher als juristische Grauzone eventuelle Mitbewerber abschreckte, war nun ein offizieller Freibrief für die selbsternannten Schönheitschirurgen und Zwielichtgestalten aus den Medien. Die Botschaft lautete für sie klar und deutlich: Du darfst. In unseren Zeiten politischer correctness , in denen „Diskriminierung“ als Keule zur Disziplinierung Andersdenkender nur der Presse und einer kleinen Auswahl von radikalen Fanatikern erlaubt ist, kann der Ausgang des Streites nicht wirklich verwunden. Im Ergebnis wurde viel geballert, leider auf die falsche Scheibe. Angesichts solcher Peinlichkeit kam der PIP-Skandal fast wie gerufen. Folgerichtig musste hier agiert werden, um das ruinierte Image aufzupäppeln. Das kann aber nicht gelingen, wenn man sich selbst als laufender Hase über den Schießstand ziehen lässt. Man mag das als gut gemeinte Geste interpretieren, das ändert aber nichts daran, dass man sich auf der falschen Seite befindet, während bereits die Neider und ewig Gestrigen  die Stutzen laden und das Feuer freigegeben ist. Mit vorauseilendem Gehorsam und Ausdruck des Bedauerns in Sachen PIP konnte wohl kaum die öffentliche Meinung vorbei an „Bild“ und “Koalition gegen den Schönheitswahn“ gewendet werden. Das Wölkchen Pulverdampf, dass die Meisterschützen der DGPRÄC erzeugt haben, wurde öffentlich kaum wahrgenommen. Damit haben sie nur einer anderen Schützengilde durchschlagkräftige Munition geliefert. Die Feministinnen und Feministen sind endgültig bestätigt in der Auffassung, das Plastische und Ästhetische Chirurgie der Ausbeutung und Unterdrückung von Frauen dient. Der Klerus kann weiterhin den Eingriff des Menschen in Gottes Schöpfung beklagen, was landläufig so viel heißt wie: „dem Herrgott ins Handwerk pfuschen“. Die Vertreter der gesetzlichen Kassen können mit wachsweichen Argumenten fortfahren, Leistungen zu kürzen und – ohne Schamgefühl beim Blick auf die eigenen Bezüge einschließlich Pensionszusagen - sogenannte Leistungserbringer der Geldgier zu bezichtigen. Auf Augenhöhe, nicht nur in Bezug auf die Einkünfte, können sie mit den Herren Kollegen aus der ärztlichen Selbstverwaltung scheinheilig ethische Floskeln austauschen. Der grüne Tisch für die Böcke im Garten bleibt also reich gedeckt. Die Lügen der Bild-Zeitung werden zu Wahrheiten erklärt, mit denen wir künftig leben müssen. Und so fordern bereits im Vorwahlkampf die Streber und Klassensprecher aus den Regierungsparteien gesetzliche Einschränkungen, also weitere Beschneidungen der ärztlichen Kompetenzen, als gäbe es im Gesundheitswesen keine sonstigen Probleme.  Führerschein mit 16, Implantate mit 61 aus Gründen der Symmetrie. Da alle US-amerikanischen Exzesse irgendwann auch den alten Kontinent erreichen, warten wir jetzt gespannt auf den EU-weiten silicone ban. Spätestens dann ist klar, dass der letzte Schuss aus dem Lauf ist. Des Schützens Büchse kommt  an den Nagel, der Schießstand bleibt geschlossen und der letzte Schützenkönig hat seines Amtes gewaltete. Auf die Ehrenscheibe schießen in Zukunft nur noch die Vertreter der Gesundheitsbürokratie, wie üblich mit Platzpatronen. Es muss ja nur laut krachen. Und fragt man dereinst nach der DGPRÄC könnte die Antwort im alpenländlichen Dialekt lauten: „De hot´s dabreselt“.

21.07.2012 

SATIRE – Der König ist tot, es lebe der König


Es geht zuweilen zu wie bei Hof, im Kleinen wie im Großen. An dieser sprichwörtlichen Erkenntnis hat sich wohl kaum etwas seit den Tagen des Absolutismus in Europa geändert Intrigen, Verurteilungen, Hinrichtungen. Madame Guillotine arbeitet jetzt für Spiegel, Bild und SZ zwar unblutig, doch kaum weniger erfolgreich. Auf der Liste der Delinquenten findet man inzwischen „König Werner“ von der Insel in Lindau. Als Facharzt für  Ohren, Nase und Hals hätte er wissen müssen, wie nahe bei dem Ungeheuer Presse die Nase dem Rachen ist. Wer auf ihr herumtanzt, wird schnell verschlungen. Zwar ist des Königs Kopf noch nicht im Korb, doch die Szene wartet voller Spannung auf die Botschaft: „Der König ist tot“ natürlich im übertragenen Sinne, konkret auf die Meldung „Medical ohne Mang“. Und nun erfährt das Theaterstück eine unerwartete Wendung. Der totgesagte König lädt ein nach Bad Schachen zur „Jubiläumstagung 20 Jahre Schönheitschirurgie Lindau“, oder vielleicht auch 200 Jahre, wer kann bei so viel Spektakel noch mitzählen? Sein Fußvolk schnürt schon die Ranzen. Spektabilitäten, Ordinarien, Emeriti und andere Tollitäten aus Nord und Süd putzen die Talare und pudern die Perücken. „Es lebe der König.“ suggeriert der Prospekt zum kommenden Jubiläum. Haben nicht gerade die Präsidenten namhafter Gesellschaften der Plastischen und Ästhetischen Chirurgie die Eskapaden des strauchelnden Idols der „Schönheitschirurgie“ in einer Art Nachruf bedauert? Was also treibt nun selbst  Mitglieder  dieser Gesellschaften zum Tanz der Vampire nach Bad Schachen? Wohl kaum der Herdentrieb oder gar Schwarmintelligenz.. Vielleicht ist es eine Neuauflage der Genitalienschau am Scheideweg von Kunst und Pornographie in der Sybille-Mang-Gallery, sinnigerweise im Programm als get-together beworben, vielleicht auch Charity  mit Dr. Brigitte Mohn, zur Abwechslung als Gala inszeniert, und Champus gratis. Nicht wirklich. Man findet die Antwort in den philosophischen Schriften des „König Werner“, der die Schwächen seiner Pappenheimer kennt und vor Jahr und Tag bereits diesen die Formel: „Schöner Schein und eitler Wahn“ auf den Leib schrieb. So streben sie offensichtlich nach Ehrungen oder gar nach Mitgliedschaft  in der IGÄM, was auch immer sich hinter diesem sinnigen Akronym auf Ä international verbergen mag. Die Domäne IGEM auf E ist schon vergeben an die Interessengemeinschaft der Esel- und Mulizüchter, www.igem.de, siehe auch www.esel.org.  Ist das Zufall? Was sonst. Denn statt  Eseldung und IAa-Schreien verspricht IGÄM Augenhöhe mit illustren Namen und der angesagten Kleinprominenz, und es winkt vielleicht ein Eintrag im Who is Who der Eitelkeiten als Entschädigung für die Mühsal der Reise. Was sonst könnte die Anstrengungen rechtfertigen? Im Programm ist nichts ausgelassen, was nicht schon quantum satis bei den voran gegangenen Tagungen vorgetragen wurde, Perseverierung als Symptom des „undiszipliniert-autistischen Denkens in der Medizin“[Bleuler]? Zum Beispiel „liquid lifting“, eine Art Hydraulik für Mediziner einschließlich Schnupper-Kurs, Wissenschaft mit drei Kreuzchen, plus plus plus, etwa wie: lieb lieb lieb oder böse böse böse, hands on –  brain out und  zum Schluss das alles schlagende Argument: 2 Milliarden Chinesen können nicht irren. Da wären schließlich noch die üblichen verdächtigen Goldsponsoren. Sie liften nicht die Majestät sondern die Liquidität am Hofe.  Nur eines werden die Teilnehmer vermissen, Samba Pa´Ti, die Vintage-Vorlesung des König Ivo aus Rio: My Way - How I did it, did it, did it …, 50 Jahren Plastische Chirurgie unterm Zuckerhut. Dennoch kein Zweifel, es ist ein Jubiläumsprogramm. Und wandelnd  auf den Spuren des Armand Herberger, geküsst von den selben Musen des gleichnamigen Hofes in der Pfalz braust der Ruf des König Werner über n-tv hinaus ins Land: „Ruf an! Du wirst es nicht bereuen“. Ob Einladung zum Fest oder Rückrufaktion in die Werkstatt [Titanic, Nr.3/2012, S.56]  wer könnte diesem Charme widerstehen? Der König wie er leibt und lebt.

02.05.2012 

Leserbrief an DÄ betreffend Themen der Zeit , Seite 1234, vom 22. Juli 2013


Dem Kommentator geht es um Gleichheit bei der Erlangung medizinischer Versorgung. Als Arzt ist er wohl tätig in einem System, welches sich bewusst  als solidarisch bezeichnet. Es ist sogar naheliegend, dass er sich vertraglich an das solidarische deutsche Gesundheitssystem gebunden hat.

Solidarität ist ein missbräuchlich verwendeter Begriff aus der marxistisch-kommunistischen Ideologie und nicht identisch mit den Forderungen der französischen Revolution von Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit. Solidarität funktioniert immer nur vertikal und zwar aufsteigend immer dann, wenn Opfer verlangt werden. Bei der Verteilung nach unten gibt es im besten Falle Priorisierung,  im schlimmsten Falle Privilegierung. Solidarische Systeme verfolgen gerade nicht die Gleichheit der einzelnen Mitglieder sondern ausschließlich den Erfolg des Systems. Hierin liegt der grundlegende Irrtum des Kommentators bei der Beurteilung der geschilderten Vorgänge. Wie im Ameisenstaat sind die systemrelevanten Mitglieder privilegiert. So hat es der Autor auch direkt wahrgenommen. Damit ist aber nicht etwa eine Staatskrise nachgewiesen sondern zunächst der Erfolg des solidarischen Gesundheitssystems.

Nun hat die Medizin auch eine ökonomische Perspektive und aus dieser ist die Frage zu stellen, warum nicht ein Patient, der schnellst möglich zu seinem Arbeitsplatz drängt, weil für die Erhaltung des Systems (und all jener in der Notambulanz) relevant, zeitlich bevorzugt behandelt werden darf, wo doch den Schilderungen nach davon auszugehen ist, dass ein Großteil jener Elenden im Wartebereich den Kriegsschauplatz mit einer Arbeitsunfähigkeitbescheinigung wieder verlassen wird.

Angst und Bange macht eher die Darstellung der Notambulanz, weil sie, sofern zutreffend, schwerwiegende organisatorische und hygienische Mängel beschreibt. Weiter unterstellt, die Zustände dort seien originalgetreu wiedergegeben, so wäre vordringlich eine Triage durchzuführen, angelehnt an das zitierte Weltkriegsszenario, und damit wäre die Gleichbehandlung, etwa nach dem  Zeitpunkt des Eintreffens, eo ipso perdu. Unverständlich bleibt, weshalb sich der Kommentator schließlich gegen seine Überzeugung auf Weisung von oben „korrumpieren“ ließ. Wenn überhaupt, so beginnt hiermit das zu beklagende Elend des Staates.

Leider schweigt der Autor zum Versicherten-Status jener geheimnisvolle Allegorie der Justitia oder besser der Arroganz, die bevorzugte Behandlung beanspruchte. Was spricht gegen solidarisch? Beamtenprivilegien!

Dr. Johannes Reinmüller
Chirurg, Plastischer Chirurg